Auf dieser Seite können Sie Texte lesen und auch hören, bei denen es sich lohnt, zu verweilen und tiefer zu sehen. Es handelt sich sowohl um Predigten, als auch um einen Bibeltext (Psalm 139) in zwei verschiedenen Versionen - gesprochen und gesungen - sowie ein ansprechendes Glaubens-zeugnis, vor allem für junge Erwachsene geeignet. Bei aller Verschiedenheit der Texte und Rezitationen möchten wir Sie um eines bitten: Verweilen Sie immer wieder vor den einzelnen Beiträgen und nehmen Sie sich nicht gleich alle vor, denn das Übermaß an Impuls-Gedanken kann auch konfus machen.
Auch hier gilt, wie so oft im Leben: Weniger ist manchmal mehr!
Herausreden und zugeben – bekennen
Predigt von Prof. P. Dr. Thomas Dienberg OFMCap
Predigtreihe "Versöhnung wagen" im Kapuzinerkloster Münster, gehalten am 7. März 2010: Drei Verben, die aktueller kaum sein könnten, stehen im Mittelpunkt der heutigen Predigt zum Thema Versöh-nung: herausreden, zugeben, bekennen. Der Skandal um den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der Kirche und den Orden nimmt immer größere Ausmaße an. Kein Tag vergeht ohne eine neue Enthüllung. Entsetzlich und schlimm! Da gibt es auch nichts zu beschönigen oder wegzureden – und wer weiß, was noch alles an die Öffentlichkeit kommen wird. Für die Kirche und ihre Glaubwürdigkeit ist das eine sehr schwere Zeit im Moment. Und leider erlebt man es auch in so manchen Äußerungen von Verantwortlichen, dass noch immer Versuche unternommen werden, sich herauszureden z. B. nach dem Motto die Gesellschaft ist zunehmend sexualisiert worden, und darin liegt der Grund für die Verfehlungen so mancher Priester. Das ist billig und auch geschmacklos. Da werden Verantwortlichkeiten einfach weggeschoben. ‚Das, was einfach nicht sein darf, das kann es auch nicht geben’. Doch das lange Schweigen, die große Schuld in den meisten Fällen, das Versetzen, Vergessen und Verschweigen und das Herausreden gehen heute nicht mehr! Auch nur zugeben ist zu wenig, denn zugeben heißt noch nicht unbedingt die Verantwortung zu übernehmen. Man würde lieber schweigen, doch es geht nicht anders, also gibt man nur widerwillig zu. Doch das Bekennt-nis ist die entscheidende Dimension: Hier geht es um Ehrlichkeit, um Wahrhaftigkeit und Offenheit – bekennen, nicht nur zugeben! Transparenz scheint das Wort der Stunde zu sein. Und vielleicht gelingt es in all dem auch gleichzeitig Versöhnung zu wagen: Von unserer Seite und meiner Seite aus nicht mit den Opfern oder Tätern, aber mit unserer Vergangenheit und Gegenwart, mit der Kirche, die durch die Aufdeckungen und den Skandal ein ungeheures Glaubwürdigkeits-problem erhalten hat! - Und doch bin auch ich noch, sind wir noch Kirche. In Zeiten wie dieser ist das schwer zu verdauen. Wenn ich allerdings bekenne, dass wir Kirche sind, dann ist das auch unsere Geschichte; eine Geschichte der Schuld, des Schweigens und der Missachtung von Menschen – im Großen das, was ich und wir im kleinen vielleicht auch so dann und wann erleben: doppelte und ambivalente Gesichter, verschiedene Seiten in mir selbst, die nur schwer zu einander zu passen scheinen ... Ecclesia semper reformanda, die Kirche muss immer wieder reformiert werden oder sich reformieren, angesichts der aktuellen Zusammenhänge erscheint das besonders notwendig zu sein. Vielleicht haben diese entsetzlichen Enthüllungen, die vielleicht noch lange nicht an ein Ende gekommen sind, auch eine reinigende, weil bekennende und dann irgendwann auch versöhnende Kraft. Im Buch der Sprüche heißt es bezeichnender Weise: „Wer seine Sünden verheimlicht, hat kein Glück, wer sie bekennt und meidet, findet Erbarmen.“ (Spr 28,13) Das kann für unsere Situation im Moment bedeuten: durch die Krise hindurch gehen, Schuld bekennen, Verantwortung dafür übernehmen, in Aufmerksamkeit und Wachsamkeit dem gegenüber, was Kirche aus-macht! Und dabei auch nicht in einen Generalverdacht einem jeden Priester gegenüber verfallen, sondern wahrnehmen, dass es auch in anderen Gruppen in der Gesellschaft entsetzlichen Missbrauch von Schutz-befohlenen gibt und in der Krise heute aufzeigen: Nur wer bekennt und schonungslos aufdeckt, der übernimmt Verantwortung und zeigt Profil und Größe. Nur so kann es gehen!
Auch die protestantische Kirche hat mit Frau Käßmann ein Kapitel Gegenwartsgeschichte geschrieben, in welchem die drei Verben eine große Rolle spielen. Sie hat nichts beschönigt, sie hat zugegeben, dass sie zuviel getrunken hatte, sie hat keine Entschuldigungen gesucht, sondern bekannt, also die Verantwortung übernommen und die Konsequenzen gezogen aus ihrem eigenen Fehlverhalten. Hier werden Prinzipien deutlich, die auch in meinem und unserem Leben eine Rolle spielen oder spielen sollten. Versöhnung wagen im eigenen Leben: Es gibt doch immer wieder Situationen, in den ich mich herauszureden versuche, indem ich weder Stellung beziehe noch zu meinem Fehlverhalten stehe, indem ich vielleicht andere im Regen stehen lasse, weil ich schweige und nicht bekenne, oder wo ich Gründe suche für meine Aktionen und dabei entweder mit dem Finger auf andere zeige oder mich anders herausrede! Zugeben ist oft nicht leicht, bekennen noch schwerer, denn das heißt, zu dem zu stehen, was man getan hat, Profil und Rückgrat zu zeigen, zu der Schwäche und dem Fehlverhalten zu stehen, um dann womöglich, wie Paulus es ausdrückt, zu erleben, dass ich in meiner Schwäche stark bin. Farbe bekennen – darum geht es schon immer im Christentum. Das ist nicht gerade bequem! Das Stichwort der ‚Bekennenden Kirche’ kommt mir in den Sinn. Es steht für die protestantische Kirche, bzw. eine ihrer Ausprägungen und entschiedenen Versuche, dem Nationalsozialismus in unserem Land während dessen Regimes deutlich und entschieden zu widersprechen, und das aus einem Glauben heraus, der nichts beschönigt, der sich nicht herauswindet, sondern deutlich bekennt und Stellung bezieht für den Menschen. Kaum ein anderes Wort, als das bekannte Wort von Martin Niemöller, bringt das besser zum Ausdruck: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemo-kraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ Versöhnung wagen – herausreden, zugeben, bekennen: Ohne das Bekenntnis kann keine Versöhnung gelingen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für gelingendes Leben ist eine Wachsamkeit und Aufmerksamkeit gegenüber mir selbst. Versöhnt mit mir selbst zu leben, heißt immer wieder einmal bekennen, was nicht gelungen ist, wo ich meinen Idealen und Wünschen weit hinterherhinke, wo ich schuldig mir selbst gegenüber geworden bin. Ehrlich und wahrhaftig sein, nicht ein Superbild von mir erstellen, sondern so wie es ist – mit dem Bekenntnis auf den Lippen! Versöhnung wagen – das kann auch im Miteinander mit anderen nur gelingen, wenn ich und auch der andere zu den begangenen Fehlern stehe, offen und wahrhaftig bekenne, mich zu einer Sache stelle und Verantwortung übernehme. Und gegenüber Gott verhält es sich nicht anders: Ein Grundprinzip der Beichte ist das Bekenntnis der Sünden. Die Aussprache dessen, was mir vielleicht sehr schwer fällt, nämlich all dessen, wo ich mich versündigt habe, mir selbst, dem anderen und darin dann auch Gott gegenüber. Zu dem stehen, was ich getan habe und Profil zeigen. Schon in der Aussprache merke ich dann vielleicht, wie gut eine Ehrlichkeit tut – erst recht dann, wenn dadurch Versöhnung gelingt. In der Beichte vergibt Gott, im Leben womöglich auch der andere, wenn ich bekenne! Herausreden, zugeben – bekennen: Schließen möchte ich mit einem Wort des Apostels Paulus, das deutlich die Beziehung zwischen Bekenntnis, Verantwortung und Heil betont: „Wer mit dem Herzen glaubt und mit dem Mund bekennt, wird Gerechtigkeit und Heil erlangen.“ (Röm 10,10)
Predigt des Studentenpfarrers Dr. Siegfried Kleymann in der Petrikirche
auf dem Campus der Uni Münster am 1. Nov. (Allerheiligen) 2009:
"Gehorche Keinem. Horche hin!"
1. „GehorcheKeinem“ - in dunkelroten Buchstaben steht diese Mahnung über dem Eingang der Uni-Bibliothek. Am Freitag ist sie offiziell eingeweiht worden. Das Kunstwerk von Babak Saed hat schon in den Tagen zuvor die Gemüter erhitzt. „Gehorche keinem“: ein Aufruf zum Ungehorsam? Ein provokativer „Hingucker“? Eine Mahnung zu kritischer Reflexion? Ein logischer Widerspruch? Wie kann ich dem Befehl gehorchen, ohne ihn ad absurdum zu führen? Ich möchte mit Euch, mit Ihnen, ausgehend von diesem Spruch über der Uni-Bibliothek über das Gehorchen und das Horchen nachdenken:
2. Jedes Wort wird mitbestimmt durch den Kontext, in dem es gesagt wird. „Gehorche Keinem“: Wie klingt diese Mahnung in einer Diktatur, die Anspruch auf unbedingten Gehorsam erhebt? Wie lebensgefährlich wäre beispielsweise dieses Wort, wenn es im nationalsozialistischen Deutschland an die Wände der Universitätsbibliothek geschrieben worden wäre? Wie ermutigend ist es für jene, die sich dem Druck des Konformismus widersetzen – um den Preis des eigenen Lebens. Doch wie anders klingt das Wort in einer individualisierten Gesellschaft, mit einer großen Vielfalt von Lebensmustern, in der ich alles so oder so oder wieder anders machen kann (wenn ich denn das nötige Geld habe)? Ob dann Ungehorsam auch darin bestehen kann, sich der absoluten Offenheit des „anything goes“ zu widersetzen, sich Normen und Autoritäten zu suchen, auf sie zu hören, ihnen in Freiheit zu gehorchen?
3. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ (Gal 5,1) Diese Glaubenserfahrung des Apostels Paulus ist grundlegend für das christliche Freiheits- und Gehorsamsverständnis. Wo immer sich Menschen zum „blinden Gehorsam“ gezwungen sehen – durch eine Gesellschaft, einen Staat, eine soziale Gruppierung, eine Kirche – erinnert das Evangelium daran, dass wir „zur Freiheit befreit“ sind. Allen Menschen, die sich als Herrgötter aufspielen, allen Institutionen, die Anspruch auf unbedingten Gehorsam erheben, gebührt der Widerspruch. In der Taufe wurde jedem von uns das Kreuzzeichen als Signum unserer Freiheit auf die Stirn gezeichnet und damit gesagt: „Du bist kein Sklave, bist niemandes Knecht.“ Das heißt: „Du gehörst nicht dem Staat, nicht deinem Arbeitgeber, nicht der Kirche – sondern allein dem, dem sich dein Leben verdankt.“ Wenn Christen sich als die zu Christus Gehörenden, Gott gehorchenden Menschen begreifen, weckt dieses Selbstverständnis den Widerstand gegen alle innerweltlichen Herrschaftsansprüche. Paulus schreibt euphorisch an die Gemeinde in Korinth: „Alles gehört euch. Paulus, Apollos, Kephas, Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: alles gehört euch. Ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott.“ (1 Kor 3, 21-22)
4. Diese Zugehörigkeit hat Konsequenzen. Sie holt uns nicht aus der Welt heraus, sondern befreit uns, wach in dieser Welt zu leben und uns ihr zuzuwenden. „Horche hin!“ ist die Aufforderung zu einem Gehorsam in Freiheit – man könnte das programmatisch in roten Lettern vor die Fassade der Petrikirche schreiben: „Horche hin. Verschließe deine Ohren nicht. Nimm wahr, was in dir und um dich herum passiert. Lasse dir die Welt nahe gehen. Scheue die Begegnung nicht. Hab keine Angst, dich zu verlieren. Nimm wahr, was dein Auftrag, deine unverwechselbare Aufgabe in dieser Welt ist. Du bist von Gott befähigt, ‚die Geister zu unterscheiden’ (Ignatius v. Loyola) und zu erkennen, was dir und deiner Welt zum Frieden und zum Heil dient.“
5. Dieses Hinhorchen, dieser Gehorsam, ist immer konkret. Er ereignet sich in jeder Lebensgeschichte neu und anders. Er ist geprägt durch die Biographie eines jeden Menschen, seine individuellen Begabungen, die soziale Situation, die Aufbrüche und Krisen seiner Umgebung, die Begegnungen und Gedanken, mit denen dieser Mensch konfrontiert wird. Es ist eine lebenslange, geistliche Aufgabe zu erkennen, wozu Gott mich jetzt ruft. Das Hören auf das Evangelium und die Wahrnehmung der „Zeichen der Zeit“, das Gespräch mit anderen Menschen, die Verbundenheit mit der Gemeinschaft der Glaubenden und das persönliche Gebet sind für Christen wesentliche Momente dieses horchenden Suchens nach Gottes Ruf.
6. Wenn wir auf die Lebensgeschichten unserer Ahnen blicken, dann schauen wir auf Menschen, die hingehorcht haben, was ihre Aufgabe in ihrer Lebenszeit war. Uns von ihrem Gehorsam prägen zu lassen, bedeutet nicht, ihnen alles nachzumachen, sondern uns von ihnen zum Hören ermutigen zu lassen. Sie waren so frei, ungewohnte Wege zu wagen, Konflikte einzugehen, die Alltäglichkeit des Lebens anzunehmen, Schritte zur Versöhnung zu beschreiten, einer Gemeinschaft treu zu bleiben, in die Einsamkeit aufzubrechen, ihr Leben zu riskieren – sich in Freiheit zu entscheiden, weil sie das als ihre Aufgabe erkannt hatten. Ich wünsche uns, dass wir uns von diesen Zeuginnen und Zeugen eines „Gehorsams in Freiheit“ zum Hinhorchen und einem dem entspringenden Handeln ermutigen lassen. „Gehorche keinem. Horche hin.“
Dr. Siegfried Kleymann, Studentenpfarrer
Lassen Sie sich jetzt von den Benediktinern der Abtei St. Ottilien (Bayern) den Psalm 139 nochmals vorsingen. Zum besseren Verständnis des Textes ist dieser jeweils im Bild eingeblendet.
Psalm 139
Der Mensch vor dem allwissenden Gott
Ein Pfingstgruß aus dem Klosterstudio an alle Besucherinnen und Besucher:
Übrigens: Schauen Sie bitte auf die tiefere Bedeutung dieses 3. Bildes, bleiben Sie nicht bei Ihrer eventuelle Antipathie für den kath. Würdenträger auf diesem Bild stehen und Sie werden über die Bedeutungstiefe und Mannigfaltigkeit unserer Welt und der Kirche neue Dimensionen erkunden können. Der Heilige Geist wirkt im Herzen eines jeden Menschen ganz persönlich immer neu - und mit Liebe. Das sagt jedenfalls auch die offizielle Kirche in ihren wichtigsten Dokumenten. So kann der kleine Konstantin sich glücklich schätzen, schon im Alter von gut einem Jahr einem Erzbischof und Kardinal ein authentisches, herzliches Lächeln entlockt zu haben. ;-)
...weitere teilweise sehr alte Geistliche Texte im optischen Gewand heutiger Tage:
Zunächst ein Gebetstext von Alkuin (einem angelsächsischen geistl. Gelehrten des 8. Jh.n.Chr.)
...und hier der letzte Vers aus dem Liederbuch der Bibel, den 150 Psalmen:
Ein anderes Glaubenszeugnis eines professionellen, vielseitig engagierten Kirchenmannes:
Zur Zukunft des Christentums - Anstöße zur Kirchenreform
Klaus Hofmeister im Gespräch mit Friedhelm Hengsbach SJ
Zum Hören des ca. 28-minütigen Gesprächs bitte das Bild anklicken und Lautsprecher einschalten.